Interview mit dem Pinneberger Tageblatt vom 23.06.2018

Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Interview mit der Amtsinhaberin und Kandidatin Urte Steinberg

Von René Erdbrügger – Erschienen im Pinneberger Tageblatt am 23.06.2018

Am Sonntag, 9. September, ist Bürgermeisterwahl in Pinneberg. Die Amtsinhaberin Urte Steinberg (parteilos) tritt erneut an. Bislang ist sie die einzige Kandidatin. CDU und FDP haben sie aufgestellt. Im Interview mit unserer Zeitung zieht sie ein erstes Fazit zu ihrer ersten Amtszeit und sagt, was sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen hat.

Frage: Was reizt Sie an der Aufgabe, weiterhin Bürgermeisterin von Pinneberg zu sein?

Urte Steinberg: Ich liebe diese Stadt. So einfach ist das. Auch wenn das viele vielleicht nicht nachvollziehen können. Ich bin hier sehr verwurzelt, bin hier aufgewachsen, bin hier zur Schule gegangen. Schon als junge Erwachsene habe ich mich gefragt: Was würde ich ändern, was verbessern, was anschieben, wenn ich vielleicht die Möglichkeit oder die Macht dazu hätte? Macht habe ich in dem Sinne nicht, weil die Politik von der Ratsversammlung gemacht wird. Aber heute als Bürgermeisterin die Möglichkeit, viele Dinge zu bewegen und die Stadt für die Zukunft fit zu machen.

Was zeichnet für Sie eine gute Bürgermeisterin aus?

Ach wissen Sie, das lässt sich kaum verallgemeinern. Was ich gut finde, finden andere vielleicht noch lange nicht gut. Wenn ich auf meine erste Amtszeit zurückblicke, kann ich nur sagen, dass Folgendes unbedingt zu diesem Amt in Pinneberg gehört: Der Mut, Neues zu wagen und unbequem zu sein. Die Kraft, Kritik und Widerstände auszuhalten und damit umgehen zu können. Durchhaltevermögen und Geduld, weil eine Verwaltung nie so schnell arbeiten kann, wie Politik und Bürgerinnen und Bürger es gern hätten. Und die Fähigkeit, zuhören zu können und Konsens zu schaffen.

Wenn Sie auf Ihre erste Amtszeit zurückblicken, welches Fazit würden Sie dann ziehen?

Ich bin stolz darauf, was wir alles gemeinsam – Politik, Verwaltung, Stadtmarketing und Wirtschaftsgemeinschaft, Firmen, Vereine und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt – in nur gut fünf Jahren geleistet haben. Und dankbar, dass ich ein Teil dieser mehr als fünf Jahre sein durfte. Nein, es war nicht immer leicht. Für mich auch nicht, das dürfen Sie mir glauben. Aber insgesamt betrachtet waren es alle sehr gute, intensive und inhaltsstarke Jahre. Voller Neubeginne, Neuerungen und Aufbrüche in die Zukunft.

Was ist gelungen, was nicht?

Der größte Teil von dem, was ich mir vorgenommen habe, ist gelungen. Wir haben die Verwaltung umstrukturiert, an entscheidenden Stellen kluge und fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Pinneberg gewonnen, die Schulbausanierung und die Finanzen neu aufgestellt und kräftig angeschoben. Die Westumgehung wird in 2018/2019 fertig sein. Das Jahresende 2018 kann ich nicht versprechen, da es immer wieder Unwägbarkeiten gab und noch geben könnte. Auf dem ehemaligen Kasernengelände ist ein neuer Stadtteil, die Parkstadt Eggerstedt, entstanden. Wir haben die Gewerbesteuereinnahmen nahezu verdoppelt, den Leerstand in der City deutlich mehr als halbiert und viele neue Firmen und Investoren für unsere Stadt begeistern können. Neuer Wohnraum wurde geschaffen und die Sanierung des Bahnhofs steht in den Startlöchern. Der Hockeykunstrasenplatz wird kommen. Der Sportentwicklungsplan wurde erarbeitet. Und für die Feuerwehr wurde ein Bedarfsplan entwickelt. Was noch fehlt? Sobald wir endlich ein tragfähiges Konzept für die Ernst-Paasch-Halle haben und es von der Politik beschlossen wird, setzen wir es um.

Welches war das größte Hindernis?

Hindernisse in dem Sinne gab es doch gar nicht. Nur vielleicht etwas unmoderne und eingefahrene Strukturen, Gesprächsstillstände und zuweilen Mutlosigkeit aufgrund des jahrelangen Stillstands. Wichtig war – und das gilt für viele Bereiche –, die Kommunikation der einzelnen Beteiligten untereinander wieder in Gang zu setzen. Dafür zu sorgen, dass alle wieder das gemeinsame Ziel vor Augen haben und dessen Umsetzung gemeinsam anpacken. Und das ist uns allen doch gut gelungen, finde ich.

Wie haben Sie die Arbeit beziehungsweise den Umgang mit der Politik empfunden?

Ich arbeite sehr gern mit der Politik zusammen und schätze die jahrelange Erfahrung vieler Ratsmitglieder. Natürlich ist man an der einen oder anderen Stelle auch mal anderer Meinung. Und vertritt diese vehement. Das ist auch gut so. Denn es ist die Aufgabe der Ratsversammlung, die Verwaltung zu kontrollieren. Und ich hätte mir gewünscht, dass an der einen oder anderen Stelle man zuerst mit mir anstatt mit der Presse gesprochen hätte. Aber das gehört wohl nun mal zum Geschäft. Ich würde sagen, wir haben uns gut zusammengerauft und können erfolgreich und vertrauensvoll miteinander arbeiten.

Was haben Sie sich für Ihre nächste Amtszeit vorgenommen?

Die Schulbausanierung wird auch, sofern die Bürgerinnen und Bürger mir wieder ihr Vertrauen schenken möchten, weiterhin Chefin-Sache bleiben. Sie ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir haben eine Menge für die Theodor-Heuss-Schule und Johann-Comenius-Schule sowie für die Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental und für einige Grundschulen getan. Dabei müssen wir jetzt die Kitas, das Thema Betreuung von Schulkindern und alle anderen noch fehlenden Schulen noch mehr als bisher in den Fokus rücken. Eine weitere Herzensangelegenheit für mich ist der Ausbau unserer Innenstadt und die konsequente Fortführung der Innenstadtentwicklung. Wir können an der einen oder anderen Stelle noch mehr und spezialisierte Läden und Geschäfte vertragen. Damit die Menschen gern in die City kommen, sich wohlfühlen und stolz sein können auf ihre Stadt, auf Pinneberg.

Welche Aufgaben haben Priorität?

Alle Aufgaben einer Bürgermeisterin haben Priorität. Das Amt verzeiht nicht, wenn man bestimmte Dinge schleifen lässt. Das geht erst recht nicht bei einer Stadt wie Pinneberg, die so viel Nachholbedarf hat. In meinem Büro hängt ein Plan. Eine große Übersicht, was, wann, wo und wie getan werden muss oder in welchem Stadium sich welches Projekt befindet. Es ist wie eine große To-do-Liste. Und die müssen und werden mein Rathausteam und ich konsequent und stringent be- und abarbeiten.

Muss sich die Zusammenarbeit von Verwaltung und Politik noch verbessern?

Natürlich kann man immer etwas in der Zusammenarbeit verbessern. Für die Politik kann ich nicht sprechen. Aber von unserer Seite wäre es sicher wünschenswert, bestimmte Vorlagen noch schneller fertigzustellen. Aber auch das Rathausteam besteht nur aus Menschen, vergessen Sie das bitte nicht. Und diese arbeiten, seien Sie dessen versichert, alle so schnell und so gut, wie sie können bis an die Belastungsgrenzen und darüber hinaus. Im Übrigen wurden in den Jahren 2002 bis 2013 fast 50 Stellen abgebaut. Und wenn eine Grippewelle kommt, macht die nicht vor der Rathaustür halt, sondern verursacht personalbedingt Verzögerungen, Engpässe, Unvollständigkeiten. Da würde ich mir manchmal mehr Verständnis von Politik und auch den Bürgerinnen und Bürgern wünschen.

Der Rettungsschirm des Landes läuft aus. Soll Pinneberg nun finanziell auf eigenen Beinen stehen?

Selbstverständlich. Das ist ja Sinn und Zweck der zeitlichen Begrenzung eines Rettungsschirms. Und unsere finanzielle Situation hat sich deutlich verbessert. Fast 20 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen für 2017 sind ein sehr guter Anfang und zeigen: Unsere Finanzen gesunden. Zwar langsam, aber sie gesunden. Die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2013 liegen vor – eine Meisterleistung übrigens, die nur dank der großen und persönlichen Aufopferung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Unterstützung des Kreises möglich war – und an dem nächsten wird schon gearbeitet. Wir haben schon Ende 2016 den vom Land im Rettungsschirm geforderten Betrag in Höhe von 3 540 000 Euro eingespart und dafür Hilfen des Landes in Höhe von 7 698 000 Euro für die Jahre 2012 bis 2015 erhalten. Geld, das dieser Stadt guttat und bitter nötig war. Das ist nun vorbei. Freiwillige Leistungen sind nur durch zusätzliche Einsparungen an anderer Stelle möglich. Das ist etwas, das sowohl Verwaltung als auch Politik bei jeder Entscheidung zu bedenken haben. Parallel müssen wir strategisch gucken, was noch nötig ist, um Pinneberg noch stärker als bisher so aufzustellen, dass wir ohne Defizit auskommen.

Pinneberg wächst und wächst. Gibt es für Sie eine Grenze des Wachstums? Wie viele Einwohner verträgt Pinneberg?

Aber das ist doch okay, dass die Stadt wächst! Mal ehrlich: Wie wollen Sie das Wachsen einer Gemeinde im Speckgürtel von Hamburg aufhalten? Die Menschen drängen aus der Metropole heraus und suchen verzweifelt bezahlbaren Wohnraum für sich und ihre Kinder. Wir haben dem schon längst Rechnung getragen, indem Projekte wie die Parkstadt Eggerstedt, Bauvorhaben in der City zum Beispiel mit der Neuen GeWoGe oder auf dem ehemaligen Ilo-Gelände ermöglicht wurden. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch Wohnungen für den schmaleren Geldbeutel und in Zukunft noch mehr Kita- und Betreuungsplätze für Schulkinder vorzuhalten. Daran müssen wir noch mehr arbeiten.

Wie und wo könnten in der Stadt mehr bezahlbare Wohnungen entstehen?

Manche sind doch schon entstanden. Sowohl die Neue GeWoGe, die Firma Demandt auf dem ehemaligen Kreishausareal und die Stiftung „Wir helfen uns selbst“ haben in den vergangenen Jahren neue bezahlbare Wohnungen gebaut. Wichtig ist, dass private Investoren neben frei finanzierten Wohnungen auch sozialen Wohnungsbau erstellen möchten.

Ende 2018, Anfang 2019 soll die Westumgehung fertig sein. Warum ist diese Umgehungsstraße für Pinneberg so wichtig?

Weil sie die Innenstadt, insbesondere die Hans-Hermann-Kath-Brücke und die Straßen Damm, Elmshorner Straße, Saarlandstraße und Mühlenstraße massiv entlastet. Außerdem verbindet sie verschiedene Gewerbegebiete von Pinneberg-Nord bis zum Westring miteinander und sorgt dafür, dass Pinneberg in Stoßzeiten eben kein Nadelöhr mehr sein muss.

Sind Sie mit dem Angebot in der Innenstadt zufrieden? Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?

Sehr zufrieden bin ich, wie schon erwähnt, dass die Leerstandsquote von 20 auf 6,6 Prozent Anfang 2018 gesunken ist. Ich freue mich sehr, dass so viele neue Geschäfte aufgemacht haben. Und ich finde, es könnten noch einige mehr sein. Viele Bürger wünschen sich ein Haushaltswaren- oder Porzellangeschäft. Unterrepräsentiert sind wir auch im Bereich Spielwaren, Herrenausstattung, Unterhaltungselektronik und Schuhe. Schön wären auch weitere Geschäfte für Jugendliche und junge Erwachsene sowie Spezialgeschäfte wie zum Beispiel für Reitsportbedarf. Und noch mehr Gastronomie wäre toll, die den Menschen Orte zum Verweilen anbietet.

Wird Pinneberg in Ihrer zweiten Amtszeit ein Kino bekommen?

Na, das will ich doch stark hoffen! Einen Kino-Betreiber haben wir schon. Was uns fehlt, ist ein Investor. Sobald wir den haben, geht es sofort los.

Wie beurteilen Sie die Zahl der Feste und Veranstaltungen in Pinneberg?

Als großartig. Wäre Pinneberg ein Stadtteil von Hamburg, wäre es nach Altona der Stadtteil mit den meisten Stadtfesten. Veranstaltungen wie zum Beispiel das Kleinkunst- oder Jazzfestival, das Weinfest oder unser Weihnachtsdorf werten unsere Stadt und unsere Stadtmarke enorm auf und machen uns zu einem Ort, den man unbedingt besuchen muss. Warum? Weil es Feste gibt, die ihresgleichen suchen.

Wie werden Sie Kontakt zu den Bürgern pflegen?

Es wird auch weiterhin meine monatliche Bürgersprechstunde geben. Diese ist mir sehr wichtig, weil ich dadurch immer einen anderen Blickwinkel auf bestimmte Sachlagen erhalte. Ich schätze die freundliche und offene Art der Pinnebergerinnen und Pinneberger. Auch wenn sie kritisieren oder anderer Meinung sind, sind die Gespräche ruhig und freundlich. Und manchmal sind es auch Ideen und Vorschläge, die umgesetzt werden können.

Wenn Sie heute drei Dinge in Pinneberg ändern könnten, würden Sie. . .

– alle Schulen sofort in einen Top-Zustand versetzen.
– alle Jahresabschlüsse bis einschließlich 2017 vorlegen.
– die Ernst-Paasch-Halle in ein einzigartiges Kulturschmuckstück verwandeln.

Beschreiben Sie einem Fremden in wenigen Worten die Stadt Pinneberg. . .

Wenn du von der Autobahn kommst, schau genau hin: Die Stadt ist so viel schöner, als sie auf den ersten Blick aussieht. Gib ihr eine Chance. Lass dich auf sie ein. Denn sie ist persönlicher, ehrlicher und mit Sicherheit anders als du gedacht hast.

Was ist liebenswert an der Stadt?

Dass sie so übersichtlich, gemütlich und grün ist. Die Innenstadt mit ihrem Mix aus modernen und historischen Gebäuden ist liebenswert, der Fahlt einzigartig und der Rosengarten zauberhaft. Ich mag die ruhige und vertrauensvolle Atmosphäre hier. Man kann sich sicher fühlen und findet alles, was man braucht, im Umkreis von maximal zwei Kilometern.